arbeiterbewegung

Als Wohnquartier der Armen wurden die Gängeviertel bereits frühzeitig zu einem Zentrum der Arbeiterbewegung in Hamburg. Schon 1863 konstituierte sich der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein (ADAV) in Tütge’s Etablissement im heutigen Engelsaal am Valentinskamp gleich um die Ecke. Während der Zeit der Sozialistengesetze (1878–1890) konnten zwar keine offiziellen Veranstaltungen der Sozialdemokraten stattfinden, aber die Mobilisierung und Politisierung in den Gängen lief ungehindert weiter. Das Ende der Verbote im Januar 1890 wurde dann folgerichtig ebenfalls wieder bei Tütge’s gefeiert. Kurz darauf gelang es den Sozialdemokraten, den Altonaer und alle drei Hamburger Reichstagswahlkreise zu gewinnen. 1897 hielten die Sozialdemokraten einen Parteitag im Etablissement ab. In der Weimarer Republik wurde der Engelsaal 1923 zum Sitz der KPD-Bezirksleitung „Wasserkante“ und der kommunistischen „Hamburger Volkszeitung“.

Im Jahr 1890 führte die Unzufriedenheit über ausbeuterische Arbeitsbedingungen und schlechte Entlohnung zu den härtesten „Arbeiterunruhen“, die Hamburg seit langem erlebt hatte. Im vorangegangen Jahrzehnt hatte sich die Zahl der gewerkschaftlich organisierten Arbeiter auf über 30.000 mehr als verzwanzigfacht, während gleichzeitig durch den 1888 erfolgten Zollanschluss an das Deutsche Reich die Lebenshaltungskosten und – durch den Bau der Speicherstadt und die damit einhergehende Verknappung von Wohnraum – Mieten spürbar angestiegen waren. Auf diesen Boden fiel der Beschluss des Internationalen Arbeiterkongresses von Paris 1889, den 1. Mai 1890 im Gedenken an die Toten des Chicagoer Haymarket und für den Acht-Stunden-Tag als arbeitsfreien Feiertag zu begehen. Auf das massenhafte Fernbleiben der Arbeiter am 1. Mai reagierte der neugegründete Hamburger Arbeitgeberverband am Folgetag mit massiven Aussperrungen, die etwa 20.000 Arbeiter betrafen. Das organisierte und staatlich unterstützte Vorgehen der Arbeitgeber hatte das Ziel, die gewerkschaftlichen Organisationen der Hamburger Arbeiter zu zerschlagen, und wurde zum Auslöser der Steinstraßenkrawalle, bei denen sich Tausende Arbeiter und Anwohner des Gängeviertels der Altstadt tagelang heftige Straßenschlachten mit der Polizei lieferten.

Auch in den folgenden Jahren kamen die Gängeviertel nicht zur Ruhe: Im Winter 1896/97 erschütterte der Streik der Hafenarbeiter – der größte Arbeitskampf des Kaiserreiches, auf dessen Höhepunkt 17.000 Arbeiter in den Ausstand traten – die Viertel. Nach der Niederlage der Streikenden im Februar kam es vor allem in der Neustadt zu gewalttätigen Zusammenstößen mit der Polizei. Auch auf den sogenannten Wahlrechtsraub 1906, der Einführung eines nach Einkommen gestaffelten Dreiklassenwahlrechts, das den Vormarsch der Sozialdemokraten bremsen sollte, reagierten die Bewohner der Gänge mit massivem Widerstand und Ausschreitungen, auf die die Polizei ihrerseits mit Gewaltexzessen antwortete. Doch trotz dieser Niederlagen war der Siegeszug der Sozialdemokraten in der „Hauptstadt des Sozialismus“ nicht mehr aufzuhalten.

Bereits am Vorabend des Ersten Weltkrieges entwickelte sich eine Kluft zwischen der gemäßigten, reformistischen SPD-Parteiführung und der Gewerkschaftsbürokratie auf der einen und den wesentlich radikaleren und aktionistischeren Metall- und Werftarbeitern auf der anderen Seite. Die Politik des Burgfriedens und die Zustimmung zu den Kriegskrediten im Ersten Weltkrieg führte schließlich zur Spaltung der Sozialdemokratie und 1917 zur Gründung der USPD. Ab 1916 kam es vermehrt zu Hungeraufständen in der Stadt und zu einer Serie kleinerer Streiks, die schließlich im Januarstreik 1918 gipfelte, an dem sich 30.000 Arbeiter beteiligten. Die wachsende Streikbewegung war ein Vorbote der Novemberrevolution, die am 5. November 1918 auch Hamburg erfasste. Es sollte bis zum März 1919 dauern, bis es der Mehrheitssozialdemokratie gelang, den Arbeiter-und Soldatenrat die Herrschaft über die Stadt wieder abzunehmen. Während der Weimarer Republik entwickelten sich die Gängeviertel zu einer Hochburg der Ende 1918 gegründeten KPD. Dies führte zu massiven Razzien, Säuberungen und Abrissen durch die Nationalsozialisten im Dritten Reich. Noch heute lassen sich in den kleinstädtisch anmutenden Klinkerbauten des Kornträger- und Rademachergangs die Gegenentwürfe der Nazis zu den verwinkelten und unübersichtlichen Gängevierteln besichtigen.

Neben den Zeitungen und Organisationen der Arbeiterbewegung spielten Kneipen und Veranstaltungsräume eine wichtige Rolle für das soziale und politische Leben. Die Lokale dienten als Treffpunkt, in dem über die aktuelle politische Lage und die Widrigkeiten des Alltags diskutiert wurde. Insbesondere die Caffamacherreihe war mit 16 Kneipen ein Zentrum des proletarischen Lebens in den Gängevierteln, und noch heute kann hier mit der Jupi Bar eine ehemalige Arbeiterkneipe besucht werden.